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Männer in der Pflege: "Ich habe die Motoren hinter mir gelassen"

 –  Aktuelles Mannheim Service-Wohnen & Pflege CentroVerde

Der spezifisch männliche Pflegestil aus männlicher Coolness und pflegerischer Professionalität führt wieder zu einer Reproduktion klassischer Geschlechterhierarchie: die Frauen finden sich im Ausschlussmechanismus wieder (gläserne Decke). Die Männer im Frauenberuf Pflege müssen sich hingegen regelrecht anstrengen, keine Karriere zu machen (gläserner Aufzug), sie werden durch unsichtbare Mechanismen und Kräfte die Leiter hochkatapultiert. Zahlen belegen das: Rund 15 Prozent Männer in Pflegeberufen, jedoch 60 Prozent Männer in Leitungsposition.

Männer sind im Pflegeberuf absolut unterrepräsentiert. Schade, denn gemischte Teams machen die Arbeit bunter. Schade, denn Männer in den Einrichtungen brauchen Männer in der Pflege und Betreuung. Und schade, denn junge Männer können immens von den Kompetenzen und Eigenschaften eines sozialen „Frauenberufs“ profitieren. Oft hilft ein Blick über den Tellerrand. Nach Kroatien etwa. Dort sind etwa 50 Prozent der Pflegemitarbeiter männlich. „Klar, war Pflege in Kroatien traditionell ein Frauenberuf“, erklärt Sven Hosinovic, WBL im Mannheimer CentroVerde. „Aber in Kroatien ist Pflege ein sehr anerkannter Beruf und gut bezahlt!“

Gehalt und Image sind nur zwei Gründe, warum der Anteil professionell pflegender Männer seit Jahren auf geringem Niveau stagniert. Nur rund 15 Prozent der Mitarbeiter sind männlich, im stationären Bereich etwas weniger. Info-Kampagnen versuchen, einen Bewusstseinswandel hervorzurufen. Die bekannteste ist „Zukunftsberuf Pfleger“, ins Leben gerufen von „Boys-Day/ Jungen-Zukunftstag“ mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums. Sie informiert über den Beruf, versucht aber auch, das Image der Pflege als „ist doch gar nicht so uncool“ herauszuarbeiten.

Dabei liegen die Gründe für den geringen Männeranteil in der Altenpflege viel tiefer. Nach wie vor gilt die traditionelle männliche Geschlechterorientierung: Tätigkeiten im sozialen – weiblichen – Sektor lassen automatisch auf nachrangige Positionen schließen, charakterisiert durch schlechte Bezahlung, geringe Aufstiegsmöglichkeiten, niedrige Position. Männer in der Altenpflege sehen sich bewusst oder unbewusst dem Verdacht ausgesetzt, in die warme, konkurrenzfreie, einfach zu handhabende Frauenwelt zu flüchten und kein richtiger Mann zu sein.

Marcel Kowalski, stellvertretende PDL bei avendi mobil Mannheim, hat diese Erfahrung in seiner eigenen Familie gemacht: „In meiner Familie halten die wenigsten was von Altenpflege“ – darum ist es ihm ausgesprochen wichtig, darauf hinzuweisen, was Altenpfleger entgegen dem schlechten Image alles können. Eine Erfahrung, die Thilo Schotthöfer, WBL im Rhein-Pfalz-Stift in Waldsee, unterstreichen kann. Im ersten Berufsleben war er Elektromaschinenbauer und stand täglich inmitten von Motoren am Fließband – bis es ihm zu wenig menschlich war. Die Altenpflege kannte er aus dem Zivildienst, so lag der neue Berufswunsch nah. Allerdings: „Die Meinungen dazu gingen auseinander. Ich bin der Typ dafür, meine Freunde haben das verstanden. Meine Eltern arrangieren sich ...“

Dass die alltägliche Arbeit da draußen nicht geschätzt wird, darunter leiden wohl alle Pflegekräfte. Männer allerdings kommen schlechter damit klar, tatsächlich oder vermeintlich nicht beachtet zu werden. Denn traditionell müssen sie die Rolle des Ernährers ausfüllen, und bei ihrem gesellschaftlich wenig anerkannten Beruf mit geringem Verdienst fällt das. Da hilft ein homogener Freundeskreis, weiß Hendrik Dreves vom Sozialdienst im Mannheimer CentroVerde: „Viele Freunde kommen aus dem sozialpädagogischen Bereich. Irritationen im Freundeskreis gibt es nicht.“

Für die Teams in den Einrichtungen ist eine Geschlechtermischung prima. Frauen untereinander – so meinen viele Frauen und Männer selbst – neigen zu Zickereien und Stutenbissigkeiten. Frauen wünschen sich daher Männer als Kollegen und hoffen so auf ein ausgeglichenes soziales Gefüge. Zu Recht: „Die Männer bringen Ruhe in die Teams. Die Mischung macht ein Team perfekt!“, findet Hendrik Dreves, der aus der Erfahrung aus vier Häusern schöpfen kann.

Gleich sind Männer und Frauen im Gefüge einer Pflegeeinrichtung allerdings nicht. Das beginnt mit dem eigenen Job-Verständnis und hört mit der tatsächlichen Pflegetätigkeit nicht auf. Beispielsweise können sich Männer stärker von der Pflege distanzieren. Während der Frau das Kümmern als Rollenzuschreibung angeblich inne wohnt, schlüpfen Männer in diese Rolle aktiv hinein – und können sie jederzeit wieder verlassen. Somit wahren sie einen größeren inneren Abstand zum Job und setzen eher ihre Belastungsgrenzen.

Männliche Coolness und pflegerische Professionalität ergeben zusammen einen ganz neuen Pflegestil: betont ruhig, sachlich, überlegt. Die neuen pflegenden Männer behalten in schwierigen Situationen den Überblick, können mit Ärzten von gleich zu gleich (also von Mann zu Mann) verhandeln, bringen mit männlicher Autorität verwirrte Bewohner zur Räson und dienen dank ihrer Körperkräfte als „Kran“ für schwere Hebearbeiten. Das ist nicht nur positiv, denn es zementiert die klassische Rollenverteilung von „der überlegte Mann dominiert, die emotionale Frau führt aus“.

Alte Männer (und Frauen) brauchen Männer. Männliche Pflegebedürftige finden sich in stationärer Pflege unmittelbar in einer weiblichen Umgebung wieder, die ihre Bedürfnisse als Mann kaum mehr wahrnimmt. Männliche Mitarbeiter in Pflege und Betreuung können das leisten, für den Preis, sich mit dem eigenen Alter auseinanderzusetzen. Nämlich zu sehen, wie Männlichkeit, also Kraft, Ausdauer, Fitness, Potenz schwinden. Seniorinnen hingegen begegnen den jungen Pflegekräften oft mit einer alters- und geschlechtsentsprechenden Scham. „Manche Bewohnerin möchte nicht von einem Mann gepflegt werden“, erzählt Thilo Schotthöfer. „Aber nach einer Zeit stört sie das nicht mehr.“

Das Interesse der Bewohner an den pflegenden Männern ist hingegen groß. „Männer sind eine Ausnahme und kommen daher positiv an. Das fällt den Bewohnern auf, das finden die prima.“ Besonders, wenn die männlichen Kollegen authentisch rüberkommen, wie Hendrik Dreves und Sven Hosinovic, Kumpels aus dem CentroVerde, die in ihrer Freizeit am liebsten Heavy Metal hören und auf Konzerte gehen. Sozialarbeiter Dreves sieht man seine Leidenschaft an, an den schwarzen Band-T-Shirts, die er gerne trägt. „Ich komme mit den Bewohnern darüber super ins Gespräch. Eine Bewohnerin hatte einen Nachbarn, der auch Heavy war. Da hat sie sich gefreut, dass sie das kannte!“

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